Glücksfall in der Geschichte zum Warberg

Ein Beitrag von Peter Pauly

Die archäologischen Spuren unserer Vergangenheit werden von Tag zu Tag weniger: Bewuchs und Erosion sorgen ebenso dafür wie Bebauung. In neuerer Zeit beteiligen sich an diesem Zerstörungswerk Sondengänger, deren geplünderten Funde beim Antiquitätenhändler landen, wenn sie als wertvoll taxiert werden; die als bedeutungslos eingeschätzten Stücke enden bestenfalls in irgendeiner Ausstellungs-Vitrine, wo sie aber wenig aussagekräftig sind. Jetzt ist nicht mehr feststellbar, an welchem Ort, in welcher Schicht sie durch die Jahrhunderte lagen. Wertvolle Informationen, wie die Fundstelle oder vielleicht andere Scherben in der Nachbarschaft sind für immer verloren. Sogar Eintreffwinkel und Verformumgsgrad eines Armbrustbolzens hätten wichtige Auskünfte geben können. Öffentliche Gelder für großangelegte Ausgrabungen fehlen ebenso wie mancherorts das öffentliche Interesse.

Wintersturm als Glücksfall

So ist das, was dem Burgstall Warberg bei Neunburg vorm Wald widerfuhr, ein seltener Glücksfall. Die Freizeitbeschäftigung von Harald Schaller aus Pfreimd war es, alte Burgställe aufzusuchen, das sind Plätze, an denen Burgen standen. Der einzige, der ihm im Landkreis Schwandorf noch fehlte, war der Warberg. Im August 1990 machte er sich dorthin auf den Weg. "Da gibt`s nichts mehr zu sehen", sagte man ihm "außer ein paar Resten der von Schweden im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Burg."

Das Erste, was Schaller vor Ort sah, war in einem Einschnitt des Bergrückens ein eingefallener rätselhafter Brunnen. Nach einer Weile aber fand er am Südwesthang des Burgstalles etwas, das seine Aufmerksamkeit fesselte und der eigentliche Anstoß für die folgenden Ereignisse wurde: Eine riesige Buche war von dem vorhergegangen wütenden Wintersturm ausgerissen worden, aber nicht - wie zu erwarten - hangabwärts gefallen sondern nach oben. In dem himmelwärts ragenden Wurzelwerk erkannte Schaller eine glatte Aussparung von einem halben mal einem Meter. Sie war verursacht worden von einem Quader, der jetzt von Wurzeln befreit dort lag. Mauerreste, unzählige Keramikreste und Tierknochen waren ebenfalls freigelegt worden. Sein Entschluss stand fest: Hier muss gegraben werden.

Grabungen

Schaller glaubte zunächst, man würde sich freuen, etwas zum Ausgraben gefunden zu haben. Aber für die Scherben und Knochen schien sich zunächst niemand zu interessieren. Dennoch genehmigten die Besitzer und das Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (Referat Oberpfalz) eine Notbergung der ersten Funde.

Ab 1991 begann dann ein Team von Laienarchäologen - unter Schallers Leitung - mit systematischer Forschung. Dies geschah unter den strengen Augen und der archäologischer Betreuung von Doktor Andreas Tillmann, denn es war für alle Beteiligten vor Ort die erste Arbeit dieser Art.

Erst gruben sie im ehemaligen Wirtschaftsbereich der Burg. Man kann diese Sisyphus-Arbeit der auf eigen Kosten tätigen ehrenamtlichen Mitarbeitern nicht hoch genug einschätzen. Die aufbereiteten Funde nahm das Schwarzachtaler-Heimatmuseum in Neunburg vorm Wald auf und präsentiert sie ansprechend. Darüberhinaus legte das Ausgrabungs-Team eine ehemalige Außenmauer der Warberg frei und sanierte sie. 1993 wurde eine Fundbergung zwischen den Schuttkegeln der beiden Burgtürmen durchgeführt.

1995 forschte man im Bereich des Brunnens. Dabei erblickte Schaller einmal einen Raubgräber mit Metall-Sonde, der den Burgstall absuchte. Der verbotene Besucher war so in seine Arbeit vertieft, dass er durch seinen Kopfhörer Rufe gar nicht hörte. Erst als er fast über die "legitimierten" Ausgräber fiel, stammelte er: "Ich hab mal schnell geschaut.", und rannte Hals über Kopf davon.

Die Bergung des Brunneninhaltes und die Sanierung seiner Mauern fand mit Unterstützung von ”öffentlichen Institutionen sowie privaten Firmen statt.

Zwei weitere Glücksfälle

Noch zwei weitere Glücksfälle widerfuhren dem Burgstall: Bei den letzten Grabungs-Phasen kam Verena Kaufmann, eine Studentin der Archäologie, dazu. Sie schrieb ihre Magisterarbeit über das Thema.

Und der junge Verlag Dr. Faustus aus Büchenbach, der sich auf Archäologie im süddeutschen Raum spezialisiert hat, erkannte die Wichtigkeit dieser Arbeit, die sich mit der Archäologie einer mittelalterlichen Burg in der Oberpfalz befasst. über dieses Thema wurde nämlich kaum je geschrieben. Der Verlag nahm das Werk, unterstützt von privaten und öffentlichen Stellen, in sein Programm auf. Um einen Anhang von Kerstin Pasta erweitert, der sich mit der Auswertung der Funde von Tier- und Menschenknochen-Funde befasst, erschien das Werk als ersten Band der Reihe "Materialien zur Archäologie der Oberpfalz".

Herausgekommen ist ein Buch, das schildert, wie in faszinierender Kleinarbeit Scherbe um Scherbe, Bolzen um Bolzen, Knochen um Knochen gefunden, gemessen, katalogisiert, verglichen und eingordnet werden. Schriftlichen Quellen aus dem Mittelalter werden ausgewertet, um das Bild abzurunden. Keine billigen Fantasie-Schlussfolgerungen in Art reißerischer Literatur werden geboten, sondern nur das, was man wirklich aus den Spuren lesen kann. Es wird berichtet von einer Burg die schon im 10. Jahrhundert bestand, von untergegangenen Adelsgeschlechtern, von Waffen, Münzen, Keramik und sogar vom Speiseplan der Burgleute - rekonstruiert aus dem Schutt. Und von einer Burg, die nicht von den Schweden zerstört wurde. Sie war nämlich schon im Sommer 1266 von den Truppen des böhmischen Königs Premysl Ottokar II. geschleift, das heißt niedergerissen worden. Dies war im Krieg gegen den Wittelsbacher Herzog Heinrich XIII. geschehen.

Text:
Peter Pauly

 

Bilder und Text Umsetzung in HTML:
Michael Fleischmann

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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